Nach Absage der Leipziger Buchmesse: Schwerpunktregion präsentiert Literatur Südosteuropas in Leipzig und online
Balkannacht, virtuelle Begegnungen und Balkan Film Week
Dass die diesjährige Leipziger Buchmesse erneut abgesagt werden musste, ist auch für die Schwerpunktregion 2020-2022 ein großer Verlust. Dennoch wird der „Common Ground. Literatur aus Südosteuropa“ in einem abgewandelten Programm Bücher, Autor:innen, Musik und Filme in Leipzig und im digitalen Raum präsentieren – alles unter dem diesjährigen Motto „WIR UND SIE“. Unverändert finden die schon traditionelle Balkannacht und die Balkan Film Week im UT Connewitz in Leipzig statt. Dazu wird es spannende virtuelle Begegnungen mit Autor:innen und Balkankenner:innen geben.
„Die Buchmesse wäre eine wichtige Bühne für unser einzigartiges kulturpolitisches Projekt gewesen. Und es schmerzt, dass wir diese in den drei Jahren als Schwerpunktregion nicht wie geplant nutzen konnten“, erklären Antje Contius, Geschäftsführerin der S. Fischer Stiftung und Angelika Salvisberg, Geschäftsleiterin des Netzwerks TRADUKI, das den südosteuropäischen Auftritt in Leipzig organisiert. „Doch Lana Bastašić, Rumena Bužarovska, Aleksandar Hemon und viele andere zeigen, dass Bücher aus oder über Südosteuropa die deutschsprachigen Leser:innen begeistern und bewegen. Nicht ohne Grund: Der Südosten Europas steht hierzulande für Diversität schlechthin – in sprachlicher, kultureller, politischer und ethnischer Hinsicht, aber auch wenn es um Landschaften, Gesellschaften, Lebenswelten und Weltanschauungen geht. Der Balkan ist eine Region voller Widersprüche und Herausforderungen, eine Weltgegend voller Geschichte und voller Geschichten“.
WIR UND SIE - Vom Verbindenden im Anderssein
Das spiegelt sich auch im Themenjahr 2022 „WIR UND SIE“ wider, das nun auch ohne Messepräsenz erlebbar wird. Mit Filmen, Neuerscheinungen und ausgewählten Begegnungen wird das thematisiert, was Menschen und Gesellschaften trennen kann: etwa Nationalitäten, Sprachen, ethnische Zugehörigkeit, sozialer Status, Alter, Geschlecht, Religionen, sexuelle Orientierungen oder Weltanschauungen. Dabei stehen nicht die Unterschiede im Fokus, sondern vor allem die Frage, wie man konstruktiv und produktiv mit ihnen umgehen oder sie sogar überwinden kann. In virtuellen Lesungen und Gesprächen geben etwa der bulgarische Autor Georgi Gospodinov oder die im heutigen Moldawien geborene Autorin Tatiana Țîibuleac Eindrücke vom Verbindenden im Anderssein und stellen ihre Bücher vor. Bei der schon legendären Balkannacht am 19. März im UT Connewitz können sich die Besucher:innen auf besondere persönliche Begegnungen mit Autor:innen aus Südosteuropa sowie eine einzigartige Mischung aus Literatur, Musik und Film freuen. Die 4. Balkan Film Week stimmt bereits vom 27. Februar bis 1. März im UT Connewitz und online mit 7 Filmbeiträgen auf das literarische Programm ein.
Große verbindende Leistung
Auch wenn sich die Schwerpunktregion in diesem Jahr thematisch dem vermeintlich Trennenden widmet, so darf dabei nicht übersehen werden, welch große verbindende Leistung es ist, dass sich in diesem Projekt alle Länder des ehemaligen Jugoslawien mit Albanien, Rumänien und Bulgarien zusammengeschlossen haben, um gemeinsam ihre Autor:innen und Bücher vorzustellen und relevante gesellschaftspolitische Themen zu diskutieren. Denn so unterschiedlich die Länder, ihre Sprachen, Religionen und Geschichten auch sein mögen – im Projekt „Common Ground“ stellen alle Partner das Verbindende in den Vordergrund und tragen ganz unabhängig von historischen oder aktuellen Konflikten zum literarischen und kulturellen Austausch bei.
Satire, Lyrik, Politthriller – aktuelle Neuerscheinungen
Leser:innen im deutschsprachigen Raum können sich in den nächsten Wochen auch auf weitere interessante Geschichten aus Südosteuropa freuen: So zeichnet Stefan Çapaliku mit seinem Buch „Jeder wird verrückt auf seine Art“ ein umfassendes Bild Albaniens während des Kommunismus und beschreibt die Realität eines kommunistisch dirigierten, längst abgewirtschafteten Landes mit einer so umwerfenden und bissigen Komik wie keiner vor ihm (Transit Verlag, Februar 2022, übersetzt von Zuzana Finger). Mit „Zeitzuflucht“ legt der preisgekrönte bulgarische Autor Georgi Gospodinov einen neuen Roman vor. Durchzogen von der ihm eigenen Verspieltheit und seinem dunklen Witz eröffnet er eine neue Art, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenzudenken (Aufbau Verlag, 14. März 2022, übersetzt von Alexander Sitzmann). Auch von der Slowenin Ana Schnabl, die 2020 mit ihrem Debüt-Erzählband „Grün wie ich dich liebe grün“ für Aufmerksamkeit sorgte, erscheint ein neues Buch: „Meisterwerk“ spielt im Jugoslawien der 1980er Jahre, kurz vor dem Zerfall des Landes, und ist Liebesgeschichte und Politthriller zugleich (Folio Verlag, 15. März 2022, übersetzt von Klaus Detlef Olof). Mit „Der Minister“ von Stefan Bošković erscheint ein mit dem Literaturpreis der Europäischen Union 2020 ausgezeichnetes Buch in deutscher Übersetzung – eine groteske politische Satire, die sich mit Fragen des politischen und sozialen Wandels und der Kluft zwischen der politischen Elite und den Bürgern beschäftigt (eta Verlag, März 2022, übersetzt von Elvira Veselinović).
Weitere Informationen: traduki.eu/common-ground